Moin Mario,
naja, lass Dich mal nicht von mir verrückt machen...
Aber im Zuge meines Umbaus habe ich mir da eben tiefergehende Gedanken zu gemacht - irgend wozu muss das Studium ja mal gut gewesen sein...
Leider sind meine Überlegungen noch nicht abgeschlossen, da mir noch ein Detail fehlt. Ich stehe in Kontakt mit ATE und warte auf Antwort von denen. Dann kann ich es genau sagen. Also alles, was ich hier schreibe ist als Vorabinfo gedacht und bedarf noch gründlicher Prüfung. Bremsen sind Sicherheitsteile, von denen Leib und Leben abhängt. Meine Aussagen hier sind rein informativer Natur und als Diskussionsgrundlage zu verstehen!!!
Bislang in knappen Worten ein paar Vorüberlegungen, die um das oben genannte Detail zu ergänzen sind, sobald vorhanden. (Mech hatte ich das auch schon mal kurz skizziert).
1. Der AAH - Regler ist bei ATE mit 8/3 gekennzeichnet, was imho folgendes heißt:
8 = Twinregler (das ist der Bautyp, hier irrelevant, da alle Varianten im Cabrio Twinregler sind)
3 = Minderung 0,3 (dazu brauche ich noch eine Info von ATE, und zwar konkret, was "Minderung" bedeuten soll. Ich kann mir was zusammenreimen - ist aber nicht zielführend, denn wir wollen es ja genau wissen)
2. Alle anderen Cabriovarianten haben einen 8/5 - Regler mit (falls korrekt) einer Minderung von 0,45.
3. Die Bremsanlagen aller Cabrios sind identisch, was das hydraulische System betrifft. Einzige Ausnahmen: der Regler und die vordere Bremszange.
Zur Bremszange: Die G60 hat einen (rechnerischen) Kolbendurchmesser von 60mm, daher eine Kolbenfläche von (60/2)^2 * Pi
Die Lucas-Bremse hat aber nur 54 mm Durchmesser, damit auch eine kleinere Kolbenfläche.
Ergo sind die Klemmkräfte der Bremszangen auf die Scheibe vorne bei der G60 um ca. 20% höher als bei der LUCAS 54.
Da aber die Scheibe bei der G60 etwas kleiner ist, als die ABC-Scheibe (Stichwort Abstand Klotzmitte zu Scheibenmittelpunkt = Wirksamer Bremshebel) ergibt sich dadurch zwar kein mehr ganz so drastisch gesteigertes Bremsmoment, aber immerhin dennoch mehr als bei der LUCAS.
4. Bremskraftverteilung. Die Verteilung HA zu VA ist entscheidend für a) die Stabilität und b) die maximal verfügbare Bremsverzögerung. Dafür gibt es Idealverteilungen, die abhängig von Schwerpunkthöhe und -Längsposition des Fahrzeugs sind. Hier sind alle Cabrios in etwa gleich (stimmt nicht ganz, aber spielt für unsere Simpel-Abschätzung zunächst mal keine Riesenrolle). Um die Ideale Bremskraft auf die Straße zu bringen, sind jetzt folgende aus a) und b) ableitbare Randbedingungen zu erfüllen:
- Überbremsen der Hinterachse verhindern --> Hinterachse darf nur soviel Bremsdruck bekommen, dass die Räder nicht blockieren (bzw. sogar noch etwas vor Blockieren bleiben)
- Überbremsen der Vorderachse vermeiden --> Fahrzeug verliert sonst die Lenkbarkeit
Letzterer Punkt erfordert, dass die Hinterachse soviel wie möglich mitbremst (natürlich innerhalb der Stabilitätskriterien), damit sie die Vorderradbremse ideal entlastet.
Theoretisch könnte man ohne Hinterradbremse auskommen. Nun könnte man nur mit vorne bremsen bis - sagen wir mal - dort noch nicht blockiert wird. Die Verzögerung des Fahrzeugs fällt dann "bescheiden" aus und die thermische Belastung der Vorderradbremse ist gleichzeitig maximal. Anders, wenn ich zusätzlich hinten noch Bremsleistung "abfackele". Dann erhöht sich die Gesamtbremsleistung und das Fahrzeug kommt schneller zum stehen. Die Bremsleistung zum anhalten des Fahrzeugs wird also auf kürzerer Strecke und in kürzerer Zeit abgerufen und sowohl von Vorderradbremse, als auch von Hinterradbremse bereitgestellt...
So, nun zum Regler / Regelprinzip:
5. Statische Bremsverteilung: Die statische Bremsverteilung ergibt sich aus den verwendeten Hydraulikkomponenten und den zugehörigen Scheibendurchmessern an VA und HA. Es ist also ein konstantes Verhältnis.
6. Ideale Bremskraftverteilung (oben schon mal von geschrieben...): Die Ideale Bremskraftverteilung ist nicht wie die statische mit einem konstanten Faktor versehen, sondern gleicht einer Hyperbel im Bremskraftverteilungsdiagramm. Der Grund ist, dass die HA beim Abbremsen ausfedert und die an der Hinterachse nutzbare Haftung geringer wird. Die Kurve ist erst steil ansteigend und dann zunehmend abflachend... Irgendwo hatte ich mal ne Kurve... siehe
hier
7. Tatsächliche Bremskraftverteilung: Man will so gut wie möglich an die ideale Verteilung ran. Dazu darf die durch das Bremssystem gegebene reale Verteilung im Diagramm die Hyperbel nie überschreiten (oder erst ganz weit hinten, wo eh nur noch "Beten" hilft). Legt man die statische Verteilung (siehe Punkt 5.) nun so flach, dass das der Fall ist, wird nicht genug Gesamtbremsleistung erreicht. Legt man sie zu steil, überschreitet sie zu früh die Hyperbel und das Fahrzeug bricht hinten aus.
Also, was tun? Man teilt die reale Verteilung in zwei Abschnitte, die der Bremskraftregler ab einer gewissen (von der Bremsung abhängenden) Entlastung der HA umschaltet. Damit ist zunächst die statische Verteilung am Zug und ab dem Umschaltpunkt die statische in geminderter Form, also mit flacherer Steigung.
8. Und was hat das mit Marios Frage zutun?
8a. Im Diagramm ist die statische AAH-Kurve schon grundsätzlich flacher als bei der Lucas 54, weil das Verhältnis der vorderen Kolben zu den hinteren das vorgibt. Ab dem Umschaltpunkt wird ist die statische AAH-Verteilung logischerweise schwächer zu mindern, um bis zum Auslegungspunkt (unterhalb der Hyperbel zu kommen).
8b. Die "nicht-AAH" statische Verteilung ist steiler, muss also ab dem Umschaltpunkt stärker gemindert werden, um die Hyperbel nicht zu überschreiten.
8c. Nimmt man den großen Abschwächungsfaktor des ABC (und der anderen) und setzt diesen an die ohnehin schon flacher laufende AAH-Verteilung an, landet man mit der Gesamtverteilung ganz deutlich weit unterhalb der Hyperbel. Hier ist also das Stabilitätskriterium erfüllt --> keine Gefahr, dass das Heck ausbricht. ABER: Die gewünschte Gesamtbremsleistung wird nicht erzielt. Aber dazu machen wir den Umbau doch, oder?
--> vorläufiges Fazit:
* Der "falsche" Regler macht aus dem Cabrio keine Heckschleuder. Also erstmal ok.
* Die Verteilung bei "falschem" Regler ist für die Gesamtbremsleistung nicht ideal, heißt:
- In normalen Bremsvorgängen (also nicht am Limit) übernimmt die Vorderbremse die meiste Bremsleistung (auch beim AAH!), was sie aber aufgrund der guten (thermischen) Eigenschaften der Doppelkolbenbremse kann.
- In etwas "gehobeneren" Bremsvorgängen fehlt die Entlastung von hinten --> Ätzend für die Vorderbremse, aber immer noch hinnehmbar...
- In "deftigen" Bremsvorgängen fehlt Gesamtbremsleistung, bzw. der gewünschte Zuwachs durch Einbau der G60 ist nicht da.
..mehr Infos, bzw. die Konkretisierung der Stichpunkte, wenn ich belastbare Fakten habe. Fehler gefunden? Anmerkungen? Bitte unbedingt melden...
Und nochmal: Ich übernehme keine Verantwortung für Eure Umbauten - auf meine Ausführungen keine Gewähr auf Richtigkeit.